Ein Hoch auf meine
Angst zu scheitern!

Blogparade "Meine Schwäche = meine Superkraft!"

Vor ein paar Wochen habe ich zu einer Blogparade mit dem Thema „Meine Schwäche = meine Superkraft!“ aufgerufen. Das Thema liegt mir deswegen am Herzen, weil viele nur allzu gern vergessen, dass fast alles zwei Seiten hat. Auch unsere ungeliebten Eigenschaften sind nicht nur schlecht, sondern können sogar wahre Ressourcen bergen. Diese möchte ich in Bezug auf ein persönliches Thema gern näher betrachten, das mich schon viele Jahre begleitet: meine Angst zu scheitern. Ich bin ehrlich gespannt, was ich dabei entdecke.

Aber fangen wir von vorne an. Gott sei Dank betrifft diese Angst nur Teile meines Lebens. Oft kann ich auch entspannt unperfekt sein und über mich selbst lachen. In bestimmten Situationen habe ich jedoch das Gefühl, ich sei nicht gut genug und denke, ich müsse es besser können. Dabei begleitet mich eine unglaubliche Furcht davor Fehler zu machen. Denn diese würden ja beweisen, dass die Stimme in mir recht hat und ich wirklich nicht gut genug bin. Also versuche ich in vielen Situationen das Unmögliche zu erreichen, möchte am liebsten das Gegenteil beweisen und perfekt sein. Ironischerweise scheitere ich an diesem Perfektions-Anspruch wahrscheinlich am allerhäufigsten.

Prüfungsangst

In Prüfungssituationen kann ich inzwischen sogar ganz fest auf meine Angst bauen: die Nächte vorher mache ich kaum ein Auge zu, jedes worst-case-scenario dieser Welt zeigt sich mir in seinen schönsten Blüten und ich brauche literweise Bachblüten-Tropfen, um irgendwie durchzukommen. Ganz entgegen meiner Natur verspüre ich kaum Appetit und schränke meine Nahrungsaufnahme ein. Alles in allem setze ich mich ähnlich unter Druck, als könne ich mit dem Bestehen der Prüfung die Welt noch einmal vor dem Untergang retten. Oder eben nicht.

Als quasi nervliches und körperliches Wrack zu den Prüfungen anzutreten ist natürlich alles andere als ideal und fördert meine Kreativität und den Gedankenfluss auch nicht gerade. So fing ich in einer schriftlichen Studienprüfung beispielsweise an, die Klausurfragen zu beantworten – und vom einen Moment auf den anderen war mein Kopf komplett leer. Totaler Blackout. Ich wusste nichts mehr. Man hätte mich nach meinem Namen fragen können und ich hätte wahrscheinlich nur mit den Schultern gezuckt und geraten. Den Rest der laufenden Prüfungszeit verbrachte ich damit auf mein leeres Blatt zu starren und zu hoffen, dass meine Hand sich wieder von selber über das Papier bewegen und Worte formulieren würde. Nichts dergleichen geschah. Glücklicherweise hatte ich eine sehr nette Professorin, die mich nach Korrektur der Klausur ansprach und fragte: „Fehlen mir Blätter? Die erste Aufgabe haben sie sehr gut beantwortet, wo ist der Rest?“ Ich durfte die Prüfung wiederholen.

Die Kraft des Unterbewusstseins

Kurz bevor der Nachholtermin kam, hatte sich mein Unterbewusstsein aber natürlich noch einen besonderen Clou ausgedacht. Es ließ mich unglücklich stolpern und die Treppe hinunter segeln, so dass ich mir einen Bänderriß zuzog und auf Krücken gehen musste. Ein cleverer Schachzug, denn durch die Schmerzen und die Anstrengung mit den ungewohnten Gehhilfen war ich vorher so abgelenkt, dass ich gar nicht mehr allzuviel Kapazitäten hatte Prüfungsangst zu entwickeln. Ich bestand die Klausur folglich mit einer 1,0.

Situationen wie diese kann ich viele aufzählen: vor einem Referat bekam ich Fieber und musste es daher halb im Delirium halten; vor meinem Gesangsauftritt fing ich mir noch eine Kehlkopfentzündung ein, so dass ich mein Repertoire nur eingeschränkt darbieten konnte; bei meinem ersten mobilen Auftrag am Massagestuhl behandelte ich wirklich viele untere Rücken, um mich oft hinhocken zu können und nicht umzufallen, da ich mich den Abend vorher übergeben hatte und völlig entkräftet war. All das wegen meiner Angst es nicht gut genug zu machen! Wahnsinn, was mein Körper und mein Unterbewusstsein teilweise für Energien aufwenden, um irgendwelche körperlichen Symptome zu produzieren. Interessanterweise erziele ich auf halber Flamme und völlig gestresst meist trotzdem recht annehmbare Ergebnisse. Nach dem Auftritt sagte man mir, ich hätte so gut gesungen, wie noch nie. Meine Massageklient:innen waren so angetan von der Behandlung, dass ich dort einen jahrelangen Auftrag bekam. Und tatsächlich ergeben sich aus meiner Angst noch einige weitere positive Effekte.

Die positiven Effekte der Angst

Denn um nicht zu versagen neige ich zu ausführlichen Vorbereitungen und übermäßigem Fleiß. Sicher eine Strategie, um zu mehr Sicherheit zu gelangen und dem Scheitern vorzubeugen. Innerhalb meiner Massage-Ausbildung praktizierte ich z.B. wie eine Verrückte und gab in zwölf Monaten über 80 Übungsmassagen. Gefordert waren 25. Meine Knie waren in der zugehörigen Prüfung natürlich trotzdem weich.

Durch die ganze Überei werde ich oft relativ gut in den Dingen, die ich tue und davon wiederum profitieren andere. Als ich meinen ersten Reiki Grad machte, meinte meine Lehrerin, die Energiekanäle würden noch offener, wenn man auf Fleisch und Alkohol verzichtete. Und zudem, dass man mindestens ein Jahr mit dem ersten Grad in Reiki üben müsse, um bereit zu sein in den zweiten eingeweiht zu werden. Also tat ich dies. Kein Tier, kein Alkohol und ein Jahr lang intensives Üben. Zum Vergleich: ich weiß von vielen Menschen, die in beide Reiki Grade kurz hintereinander an nur einem Wochenende eingeweiht werden und mit dem zweiten dann sofort auf die Welt zugehen. Da bin ich dann vergleichsweise besser präpapriert und hab einfach mehr Erfahrung.

Meine Angst es nicht gut genug zu machen bringt mich auch immer wieder dazu, mir ganz neue Themengebiete zu erobern. So hatten meine ersten beiden festen Übungsklientinnen in der Massagearbeit gleich schwere Themen im Gepäck. Eine hatte Anorexie, die andere war Opfer von Missbrauch geworden. In einem Setting, in dem man achtsam mit dem Körper arbeitet, können solche Erfahrungen leicht ans Licht kommen. Der Körper ist ein großes Gedächtnis. Um diese beiden und andere Menschen besser begleiten zu können entschloss ich mich dazu, die Ausbildung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie zu machen. Dazu musste ich natürlich auch eine Prüfung ablegen und inzwischen lässt sich wahrscheinlich vermuten, wie es mir vorher ging. Ich war der Inbegriff an Ruhe und Gelassenheit (nicht). Die Prüfung habe ich – oh Wunder! – dennoch mit Bravour bestanden. 

So bringt mich meine vermeintliche „Schwäche“ also dazu immer weiter zu lernen und zu gehen. Oft kommt aber auch erst der Spaß an einer Sache, ich möchte etwas aus Neugier und Interesse dazu lernen, und mein Perfektionismus schaltet sich dann später ein und treibt mich an. Um gut genug zu sein entspinnen sich bei mir viele kreative Abläufe und ich habe ein gutes Auge dafür, wie man Prozesse, Projekte usw. optimieren kann. Alles in allem ist mir meine Angst zu scheitern also oft wirklich hilfreich. Mein Umfeld ist häufig beeindruckt von dem, wie vielfältig ich ausgebildet bin, was ich alles mache und wie bunt mein Weg bereits ist. Ich denke meinerseits natürlich, dass ich noch mehr machen könnte. 🙂

Unperfektheit als Weg

Und wie ist es jetzt? Dieser Blogartikel beispielweise ist sicher alles andere als perfekt, denn ich lerne langsam, auch unperfekt in die Welt zu treten. Ich habe gemerkt, dass diese meist doch noch steht, selbst wenn ich etwas nicht 100% fehlerfrei mache. Das ist etwas, das ich in Bezug auf das Schreiben von meiner Blog-Mentorin Judith Peters gelernt habe und für das ich ihr total dankbar bin: lieber unperfekt nach draußen gehen, als gar nicht. Das ist so wertvoll, denn man lernt soviel dadurch, wenn man ins Machen kommt. Und außerdem, wie geht der Spruch nochmal? Machen ist wie denken, nur krasser. Genau! Je mehr man macht, desto öfter kann man auch auf die Nase fallen und scheitern. Also gewöhn ich mich besser dran und versuche mich auf alle Vorteile meiner vermeintlichen Schwäche zu besinnen und diese zu schätzen zu lernen. In diesem Sinne: lasst uns die Kraft unserer Schwächen entdecken und dadurch alle noch gestärkter weitermachen!

Dieser Beitrag hat 10 Kommentare

  1. Ulrike Storny

    Liebe Vanessa, kennst du das Gefühl, wenn du etwas liest und in deinem Innern zieht sich alles vor Mitgefühl zusammen? So erging es mit bei deinem Text. Ich bin dir dankbar, dass du das alles so offen erzählt hast und fühle, dass sich bei mir auch ein kleiner Knoten gelöst hat.
    Den Zusammenhang zwischen Bänderriss und Prüfung hätte ich nie gesehen, vermutlich wäre es mir als weiterer Schicksalsschlag vorgekommen. Aber natürlich – im Nachhinein ist das ganz logisch, was da vorgefallen ist.
    Ein sehr spannender und tiefgehender Artikel, danke für die vielen Einblicke!
    Liebe Grüße
    Ulrike

    1. Vanessa Randau

      Ach, danke für deine lieben Worte, liebe Ulrike! Es freut mich, dass dich der Text so bewegt hat und vor allem, dass sich bei dir auch ein kleiner Knoten lösen konnte. 🙂 Liebe Grüße, Vanessa

  2. Kerstin Salvador

    Liebe Vanessa,
    oh nein, du Arme, dass deine Prüfungsangst dich so blockiert. Ich konnte beim Lesen richtig nachfühlen, was du dabei durchmachst. Und dabei bist du so gut, wenn du es schaffst, deine Angst zu überwinden.
    Ein schöner Weg, wenn du es schaffst, deine Angst bei der Hand zu nehmen, mit ihr zu sprechen, wenn sie dir auf der Schulter sitzt und ihr eine Rolle als Superkraft zuweist. Sie ist ein Teil von dir, abschütteln kannst du sie nicht, aber gemeinsam schafft ihr es, schließlich gut durch Prüfungssituationen zu kommen.
    Ein schöner Artikel, liebe Vanessa.
    Liebe Grüße
    Kerstin

    1. Vanessa Randau

      Danke für dein Mitgefühl und deine positive Rückmeldung zu meinem Artikel, liebe Kerstin! 🙂

  3. Sylvia Tornau

    Liebe Vanessa, wie nachvollziehbar du beschreibst, was diese Angst mit dir macht(e). Ich musste ein paar Mal schmunzeln, weil es mir allzu vertraut ist, was du schreibst. Vor allem bin ich beeindruckt von all dem Positiven, was sich hinter der „Schwäche“ zeigt, welches du da gefunden hast. So wandelt sich das, was blockiert, in eine Superkraft. So schön. Danke für diese Inspiration. Liebe Grüße Sylvia

    1. Vanessa Randau

      Danke, liebe Sylvia. Ich war auch überrascht, welche positiven Effekte ich beim Schreiben entdeckte und hoffe, dass viele andere Menschen sich davon etwas mitnehmen können, die ähnliches erleben. 🙂 Liebe Grüße, Vanessa

  4. Gabi Kremeskötter

    Liebe Vanessa,
    Respekt und ich ziehe den Hut vor deiner Offenheit, deine Angst und das, was sie mit dir macht, zu teilen. Deine Erzählung hat sehr nachvollziehbar beschrieben, wie schwer du es dadurch in deinem Leben hattest, durch die Prüfungen zu kommen trotz besseren Wissens.
    Umso beeindruckender dein Durchhaltewillen und deine Erkenntnis, dass deine Angst auch etwas Gutes in sich trägt!
    Nicht aufgeben, nicht aufhören, nicht zurückstecken sondern weitermachen und genau dort deine Stärke finden, wo andere locker leicht, aber weniger gesichert auftreten.
    Ich bin sicher, du zeigst es ihnen und dir auch weiterhin.
    Klasse Artikel übrigens, insbesondere deine lockere, lebensnahe und authentische „Schreibe“ 🙂
    Viele Grüße
    Gabi

    1. Vanessa Randau

      Ganz herzlichen Dank für deine Rückmeldung, liebe Gabi!

  5. Christel

    Viel Glück, Vertrauen und Zuversicht weiter.
    Liebe Grüße Deine Ma

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