Herzensweg Yoga-Lehrerin:
"Ich habe schon immer
den Ruf in mir gespürt"
Ein Interview mit Yoga-Lehrerin Shirin Marie Straßner.
Sanft und bescheiden wirkt Shirin Marie Straßner, als wir uns in einem Café in Berlin-Friedrichshain zum Gespräch treffen. Dabei hätte sie gute Gründe dies nicht zu sein: mit bewundernswerter Stärke und Beharrlichkeit hat sie ihren Herzensweg verfolgt und ist Yogalehrerin geworden, im eigenen Tempo und dem Energiefluss folgend. Und dass, obwohl sie eigentlich einmal „etwas Richtiges“ lernen sollte. Was sie auf ihrem Weg gestärkt hat und welche Rolle ihre innere Träumerin dabei spielte, davon erzählt sie in diesem Interview.
Wie bist du zum Yoga gekommen, was hat dich inspiriert?
Das war 2008 in Thailand. Dort habe ich an meiner ersten Yogastunde teilgenommen. Die Lehrerin war tatsächlich schon 90! Sie hat während der Klasse auch Kopfstand gemacht – ich glaube, ich noch nicht! (lacht) Diese und andere Lehrer:innen und auch das Yoga selbst haben mich sehr fasziniert. Ich wusste: ich will da tiefer eintauchen. Nach dem Urlaub habe ich dann einen Yoga-Kurs an der Volkshochschule gebucht, denn damals gab es, zumindest bei mir auf dem Dorf, noch nicht so viele Yogastudios.
Was war das inspirierende an der Erfahrung mit Yoga?
Am Yoga mochte ich damals, dass es wie ein Schutzraum war. Während der Praxis war jede:r für sich und mit dem, was an dem Tag in einem gearbeitet hat. Einer meiner Yogalehrer war total fürsorglich, hat einen zum Beispiel immer zugedeckt im Shavasana (Shavasana ist eine Ruheposition im Yoga, Anm. d. Red.). Ich habe mich da einfach unglaublich wohl gefühlt. Da war ich 18. Außerdem konnte ich Yoga überall hin „mitnehmen“. Ganz egal wo ich wohnte oder hinreiste, Yoga war immer dabei.
Wie wurde dir bewusst, dass du selbst eine Ausbildung zur Lehrerin machen möchtest?
Nach ungefähr zehn Jahren, in denen mich Yoga immer begleitet hat, wollte ich tiefer eintauchen. Und da gibt es tatsächlich nicht so viele Möglichkeiten – klar, man kann Workshops besuchen, aber wenn man ganz tief gehen möchte ist der nächste Schritt eine Ausbildung. Ich wusste aber damals noch nicht, ob ich das unterrichten will oder nicht. Und nach dem ersten Ausbildungswochenende dachte ich eh: oh Gott, ich will auf gar keinen Fall Yogalehrerin werden, das packe ich nicht!
Wieso?
Man achtet dann auf alle Kleinigkeiten, auf die Ausrichtung, und ich dachte so: okay, ich kann kein Yoga, es gibt noch soviel zu lernen! Auch die Philosophie war spannend, aber ein großes Feld, das sich mir ganz neu eröffnet hat. Da war ich am Anfang erstmal überfordert mit allem.
Bevor du deinen Herzensweg tatsächlich gegangen bist, hast du einen ganz anderen beruflichen Weg verfolgt. Wie war dein Plan?
Ich habe Englisch und Französisch auf Lehramt studiert, somit war der Plan Lehrerin zu werden. Als ich für ein Schulpraxis-Semester nach Amerika gegangen bin, habe ich dann gemerkt: das passt überhaupt gar nicht zu mir. Das ist mir viel zu eng, allein der Lehrplan. Daher habe ich nach meinem Auslandsaufenthalt meinen Studienabschluss auf Bachelor gewechselt, ohne zu wissen, was ich damit einmal machen möchte. Die meisten Menschen in meinem Umfeld haben mir allerdings gesagt: „Man braucht einen Master! Ein Bachelor allein bringt einem überhaupt nichts!“ Auch meine Eltern fanden, ich müsse was „Richtiges“ lernen. Da ich eh noch keinen anderen Plan und Lust hatte, nach Berlin zu ziehen, habe ich mich dann um einen Masterplatz in Amerikanistik beworben.
Wann ist dir klar geworden, dass du eigentlich was ganz anderes machen und deinem inneren Ruf folgen möchtest?
Um ehrlich zu sein hab ich schon immer den Ruf in mir gespürt, dass ich selbständig sein möchte. Es war mir immer klar: das ist mein Weg. Ich kannte halt nicht soviel Berufsbilder, zudem niemanden, der selbständig ist und dachte, ich müsse in ein Angestelltenverhältnis gehen. Als es auf die Master-Arbeit zuging, hat es sich immer beschwerlicher angefühlt. Bestimmt ein halbes Jahr lang war ich super oft in der Bibliothek und hab versucht irgendwas zu schreiben, aber es ist einfach nichts aus meinen Fingern rausgekommen. Dann kam Corona und ich habe gedacht: jetzt nehme ich mir mehr Zeit dafür, es passiert ja eh nichts. Parallel hab ich schon einige Yoga-Klassen unterrichtet, auch online, und mich immer super gefreut. Es zog mich viel mehr dorthin, weil ich das Gefühl hatte, ich kann damit Teil der Gemeinschaft bleiben und auch einen Beitrag leisten in dieser schlimmen Zeit. Das war mir total wichtig. Es hat mich alles auf die Yoga-Matte gezogen und nichts vor den Laptop, obwohl ich es wirklich probiert habe.
Vor zwei Jahren hast du im NLP-Kurs eine Zielearbeit gemacht. Kannst du dich noch an deinen Zielsatz erinnern?
Ja klar. Mein Zielsatz war: „Ich lebe bis zum Sommer 2021 von meiner Selbständigkeit als Yogalehrerin.“ Das hat superviele Dinge in mir in Bewegung gesetzt. Ich fand es total kraftvoll mich da hinein zu versetzen. Wie sieht mein Ziel aus? Wie fühlt es sich an es mit allen Sinnen zu durchleben? Auch meiner inneren Träumerin den Raum zu geben war total schön. Zu sagen: hey, alle meinen zwar, du musst diesen Master-Abschluss machen, aber hier in diesem Raum musst du gar nichts.
Wie ist es weiter gegangen?
Danach habe ich tatsächlich einige Klassen mehr bekommen, die alle auf ganz schöne Weise zu mir gekommen sind. Einmal zum Beispiel habe ich eine Stellenanzeige für einen Yogakurs bei Facebook gesehen. Bis zu diesem Zeitpunkt dachte ich von mir, dass ich eigentlich nicht so gut schreiben kann, siehe Master-Arbeits-Fail (lacht). Aber die Bewerbung hat sich fast wie von alleine geschrieben, es kam einfach aus dem Herzen. Nach 30 Minuten war die Bewerbung fertig und ich habe sie abgeschickt. Das Yogastudio hat auch direkt geantwortet mit den Worten: „Wow, so eine schöne Bewerbung haben wir selten gehört, danke!“ Ich habe dort gleich einen Kurs bekommen. Das war eine sehr schöne Erfahrung für mich. Sie hat diesen Glaubenssatz: „Ich kann nicht schreiben“ ein bisschen geheilt.
Superschöne Geschichte. Welche inneren und äußeren Hürden musstest du überwinden, um den Weg einschlagen zu können?
Die meisten Menschen in meinem Umfeld, hatten die Meinung: ich muss diesen Master-Abschluss machen und mir danach einen „richtigen“ Job suchen. Auch meine Eltern waren dieser Meinung und sie haben vorgeschlagen, dass ich ja – neben meinem Angestelltenjob natürlich – Yoga als Hobby einmal pro Woche unterrichten könnte. Und irgendwann habe ich es selbst tatsächlich fast geglaubt, dass die Freiberuflichkeit nichts für mich ist. Zum Glück haben mich aber mein Partner und zwei sehr enge Freundinnen darin unterstützt meinem Herzen zu folgen.
Was ist passiert, dass du deine Meinung geändert hast?
Anfangs war mein Glaubenssatz: du musst etwas richtiges lernen, es genießt kein Ansehen „nur“ Yoga zu unterrichten. Je mehr ich aber unterrichtet habe, desto leiser wurde diese innere Stimme. Heute würde ich aber sogar sagen, es gibt keinen geileren Job (lacht). Denn mit meiner Arbeit tue ich so vielen Menschen etwas Gutes. Der Glaubenssatz ist verschwunden.
Was hat dir die Stärke gegeben diese Hürden zu überwinden? Was war deine Motivation?
Ich glaube, dass ich tief in mir drin wusste: die Selbständigkeit ist mein Weg. Und als ich die Yoga-Ausbildung angefangen habe merkte ich: Yoga unterrichten, das ist es! Es ist so eine Art Intuition oder tieferes inneres Wissen gewesen. Ich fand es spannend danach zu handeln. Das mach ich auch heute noch – da, wo die Energie fließt, da ist schon irgendwas zu holen. Da, wo sie nicht hinfließt, ist eben nichts zu holen. Selbst mit viel innerem Druck ist im Studium immer noch nichts geflossen, beim Yoga halt schon. Ich habe diese Bewerbung als Yoga-Lehrerin geschrieben und auf einmal haben sich Türen geöffnet. Beim Yoga fühlt es sich nie an wie ein Kampf oder dass ich Dinge tun MUSS. Ich versuche diesem Weg zu folgen. Nicht unbedingt dahin, wo es leicht ist, aber wo es fließt.
Schön beschrieben. Du hast groß geträumt, große Ziele entwickelt und die Ziele sind eingetroffen. Was kommt als nächstes? Wovon träumst du gerade?
Ich träume davon, meine eigenen Praxisräume für meine Arbeit als Life-Coach anzumieten, das biete ich bereits neben dem Yoga an. Und das ist in Berlin ja leider gar nicht so einfach. Außerdem möchte ich noch eine Weiterbildung für Schwangerschaftsyoga machen. Und in diesem Jahr erfülle ich mir auch einen sehr großen Traum: im Herbst fliege ich mit meinem Partner für sechs Wochen nach Nepal und ich freue mich schon riesig auf dieses Abenteuer.
Wie nährst du deine innere Träumerin?
Sehr schöne Frage. Ich fahre zu all meinen Kursen und Terminen, wenn es geht, mit dem Fahrrad. Und während dieser Zeit lasse ich oft meinen Gedanken freien Lauf und träume mich in etwas hinein. Wie in der Zielearbeit: einfach mal so tun als ob, ohne all diese wenn und Abers. Das mag ich total gern.
Was würdest anderen Menschen raten, die den Ruf ihres Herzens hören, aber vielleicht Angst haben dem zu folgen oder nicht wissen, wie sie es angehen sollen?
Die Stimmen von innen und außen vielleicht zu hören, aber dem Ruf des Herzens auch Raum zu geben. Ich finde, man macht sich oft mehr Gedanken über das, was nicht war oder das, was sein könnte, als das, was ist. Und selbst wenn man am Ende merkt: huch, das war jetzt doch eine dumme Idee – man kann es in der Regel immer noch rückgängig machen, einen Schritt zurück gehen und einen anderen Weg einschlagen. Es gar nicht zu probieren hätte mich in meinem Fall nicht glücklich gemacht.
Also einfach probieren und wenn nötig korrigieren?
Ja. Und wenn man sich verhört hat und es doch nicht der innere Ruf war, dann lernt man dabei viel. Zum Beispiel habe ich ja Englisch studiert und jetzt unterrichte ich auf englisch. Nicht, dass ich dafür hätte studieren müssen, aber ich finde es trotzdem schön, dass es sich verknüpft. Ich bin der Ansicht, dass alles, was man auf dem eigenen Weg lernt, sich irgendwann zu einem großen Ganzen fügt.
Herzlichen Dank für das schöne Gespräch, liebe Shirin!
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